Die romantische Euphorie, die sich nach Lewis Hamiltons Ankunft in und um Maranello eingestellt hatte, ist verflogen. Vor dem Heimspiel in Imola am Wochenende (LIVE bei RTL) steckt Ferrari in der Krise, den Tifosi blüht die große Tristezza. Beim Grand Prix der Emilia-Romagna könnte ausgerechnet ein Silberpfeil-Pilot die italienische Rennsport-Seele balsamieren: Andrea Kimi Antonelli.
"Denkst du an Imola, denkst du sofort an die großen Erfolge von Michael Schumacher", schrieb die italienische Institution "Gazzetta dello Sport" dieser Tage. Allerdings muss man da schon ziemlich weit zurückdenken.
In der Saison 2006 triumphierte Schumacher auf dem Autodromo Enzo e Dino Ferrari. Es war der letzte Sieg der Scuderia auf der legendären Strecke. Seit dem Imola-Comeback 2020 sprang für die Roten a casa lediglich ein Podestplatz heraus, Charles Leclerc wurde im Vorjahr Dritter.
Dass die Ferraristi dieses Jahr jubeln, ist unwahrscheinlich, ihr Team aus Maranello kommt mit seinem SF-25 einfach nicht auf Touren. Wahrscheinlich spielt Ferrari in Imola wie bis dato fast immer nur die vierte Geige. McLaren ist sowieso schneller, Max Verstappen im Red Bull auch und sogar die in den vergangenen Jahren zurückgefallenen Mercedes-Boliden zeigen Leclerc und Hamilton zumeist das Heck.
Die Kräfteverhältnisse 2025 geben es her, dass in Imola ausgerechnet ein Silberpfeil die geplagte rote Seele trösten kann – der von Andrea Kimi Antonelli , "dem neuen, aufsteigenden Stern der Formel 1" (so die "Gazzetta").
Der 18-Jährige war Anfang des Jahres mit reichlich Vorschuss-Lorbeeren in die Königsklasse gekommen. Ein "Wunderkind" sei dieser Kimi Antonelli, hieß es, erste Vergleiche mit Max Verstappen, der seinerzeit als 17-Jähriger in der Formel 1 debütierte, kamen auf.
Aber es gab auch kritische Stimmen, die die Reife des Talents infrage stellten. Schließlich hatte Antonelli den F1-Boliden von Mercedes beim Proben ein paar Mal in der Wand versenkt, unter anderem bei seinem Trainings-Debüt in Monza.
Bisher hat Antonelli geliefert – und zwar Punkte und nicht den befürchteten Karbon-Schrott. Die Wette von Mercedes-Teamchef Toto Wolff, seinen Zögling aus dem silbernen Junioren-Programm direkt zum Nachfolger von Rekordweltmeister Lewis Hamilton zu machen, sei aufgegangen, konstatierte "La Gazzetta dello Sport".
Wolff nahm Antonelli einst als 11-jährigen Kartfahrer unter seine Fittiche, ließ vor der Saison nie einen Zweifel aufkommen, dass er an seinen Musterschüler glaubt. Beim Grand Prix von Miami zahlte Antonelli das Vertrauen erstmals in besonderem Maße zurück. Im Sprint-Qualifying raste der Teenager zur Pole Position – so jung war noch kein Formel-1-Fahrer, der je Startplatz 1 einfuhr.
Für die die berühmte Sportzeitung aus Mailand war Antonellis erste Sternstunde freilich nur ein "Vorgeschmack" für das, was kommt. Gewiss, noch fehle dem Youngster die Erfahrung beim Reifenmanagement und beim Lesen von Rennsituationen. "Aber die mentale Herangehensweise und die Reife sind die eines alten Fuchses." Das erste Podest, der erste Sieg – "alles nur eine Frage der Zeit". Antonelli, so viel steht fest, lässt nicht nur die Herzen der Tifosi, sondern auch der italienischen Journalisten höherschlagen.
"Viele Toptalente haben Etappen übersprungen, um ganz nach oben zu kommen – wie Hamilton einst bei McLaren, Verstappen mit Red Bull oder Leclerc mit Ferrari", ordnete das Sportblatt den Karriereweg Antonellis ein. Vergleiche mit den Großen – Schwarz auf Rosa. Ganz klar: Beim Mercedes-Rookie gelten andere Maßstäbe als für seine Greenhorn-Kollegen im Grid.
Der nach Ferrari-Legende Kimi Räikkönen benannte Junge aus Bologna verkörpert eine große Hoffnung. Seit den Tagen von Giuseppe Farina (1950) und Alberto Ascari (1952/53) hat kein Italiener mehr die Fahrer-Weltmeisterschaft gewonnen, auch der letzte Grand-Prix-Sieg eines italienischen Fahrers (Giancarlo Fisichella 2006 in Malaysia) ist lange her – geradezu absurd für eine derart motorsportbegeisterte Nation, für das Land Ferraris.
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Der Wunderjunge aus Bologna soll die Dürre beenden, zwischen Palermo und Bozen träumt manch einer sogar schon von Andrea Kimi in der Roten Göttin. Zukunftsmusik. Die Gegenwart ist Silber und heißt Mercedes. "Schade", dass Ferrari die Chance verpasst habe, den jungen Kimi einst in die eigene Nachwuchs-Akademie zu holen, mäkelte die "Gazzetta". Dabei hätten ihn die Talent-Scouts den Maranello-Bossen empfohlen, der damalige Scuderia-Chef Maurizio Arrivabene sagte No.
Hat Antonelli wirklich das Potenzial, all die Sehnsüchte zu erfüllen, die auf ihn projiziert werden? Ist er das nächste große Ding der Formel 1, der neue Hamilton, der neue Verstappen?
RTL -Experte Christian Danner äußert sich etwas sachlicher als die Redakteurs-Kollegen der Gazetten. "Eine neue Supernova ist da jetzt noch nicht am Formel-1-Himmel", resümierte der frühere F1-Pilot bei sport.de Antonellis Start in die Saison. Im Rennen mache der 18-Jährige noch "relativ viele Fehler" und fahre nicht auf dem Level von Mercedes-Nachbar George Russell. "Aber er hat aufblitzen lassen, was da kommen kann", so Danner.
Für den langjährigen TV-Kommentator hat Antonelli bei seinem F1-Einstieg nicht die gleiche Wirkung entfaltet wie jene Kaliber, mit denen er oft verglichen wird.
"Er hat noch einen Weg zu gehen. Es ist nicht so wie bei Schumacher: reingesessen und schnell gefahren. Es ist nicht wie bei Verstappen: reingesessen, Rennen gewonnen. Es ist nicht wie bei Senna, der im ersten Test mit Williams in Donington einen Rundenrekord gefahren ist."
Man dürfe nicht vergessen, dass Mercedes und Wolff ihren Nachwuchsmann akribisch auf die Formel 1 vorbereitet haben, merkte Danner an. Der Teamchef habe Antonelli als "designiertes Jahrhundert-Talent" in den Silberpfeil gesetzt. "Dann muss er halt auch fahren wie ein Jahrhundert-Talent. Aber die anderen genannten Beispiele – reingesessen und gewonnen –, das sind die Jungs, gegen die er fährt", legt auch der RTL -Experte die höchsten Maßstäbe an.
In Imola werden die Augen der Tifosi nicht nur auf Ferrari, sondern auch besonders auf Antonelli gerichtet sein. Wenn schon die Scuderia abschmiert, soll wenigstens "Il Topo" – die Maus –, wie ihn die Familie nennt, die italienischen Kohlen aus dem Feuer holen. Der Druck ist nicht so groß wie bei Ferrari, aber doch gewaltig.
# | Fahrer | Team | Punkte | |
---|---|---|---|---|
1 |
|
Oscar Piastri | McLaren | 131 |
2 |
|
Lando Norris | McLaren | 115 |
3 |
|
Max Verstappen | Red Bull Racing | 99 |
4 |
|
George Russell | Mercedes AMG F1 Team | 93 |
5 |
|
Charles Leclerc | Ferrari | 53 |
Für Antonelli gilt es, ruhig zu bleiben und weiterzumachen wie bisher. Vielleicht hilft es, dass er rund um das Imola-Wochenende zuhause in Bologna bei seinen Liebsten weilt. Die kleine Schwester hat Geburtstag, so könne er wenigstens mit ihr feiern, erzählte Antonelli. Beim Rennen schaut nicht nur die Familie zu, auch die besten Freunde und seine Schulklasse sind eingeladen. Wohlfühl-Atomsphäre gegen den Druck.
Einstweilen wird Andrea Kimi Antonelli aber mit großen Vergleichen leben müssen. Der Mercedes-Pilot sei der Lamine Yamal der Formel 1, hieß es in der "Gazzetta". Italien hat Sehnsucht.
# | Fahrer | Team | Punkte | |
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1 |
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Oscar Piastri | McLaren | 131 |
2 |
|
Lando Norris | McLaren | 115 |
3 |
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Max Verstappen | Red Bull Racing | 99 |
4 |
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George Russell | Mercedes AMG F1 Team | 93 |
5 |
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Charles Leclerc | Ferrari | 53 |