Noel Mikaelian eroberte Ende 2023 als erster Deutscher seit Box-Ikone Max Schmeling einen Weltmeister-Titel in den USA. Doch seither ist der Wurm drin. Statt seine WBC-Krone wie die anderen Champions in seinem Limit auf großer Bühne zu verteidigen, hängt Mikaelian am Hungerhaken von Promoter-Legende Don King. Der 34-Jährige schießt mit deutlichen Worten gegen die berüchtigte Starkstromlocke.
Um zu verstehen, wie verkommen, korrupt und hinterhältig das Preisboxen ist, muss man sich nur das Beispiel Noel Mikaelian anschauen. Der Deutsche eroberte im November 2023 den WBC-Titel im Cruisergewicht (bis 90,72 Kilogramm) durch einen K.o.-Sieg über den Kongolesen Ilunga Makabu.
Vakant war der Titel, weil Weltmeister Badou Jack angekündigt hatte, in die neu geschaffene "Bridgerweight"-Division (eine unbedeutenden Gewichtsklasse zwischen Schwer- und Cruisergewicht, Anm.d.Red. ) zu wechseln. Mikaelian hätte den WBC-Gürtel 2024 eigentlich gegen Pflichtherausforderer Ryan Rozicki aus Kanada verteidigen sollen.
Dazu kam es nicht: Ein für Mai geplanter Kampf platzte, weil Mikaelian einen Cut im Sparring erlitt. Das für September neu angesetzte Duell im Rahmen eines Kampfabends in Miami wurde erneut abgesagt - Mikaelians Promoter Don King lag im Krankenhaus, woraufhin die Firma des 93-Jährigen die gesamte Show absagte.
Ein beispielloser Vorgang. Mikaelian, bei King unter Vertrag, kündigte daraufhin Klage gegen den berüchtigten Strippenzieher an .
Diese ist vorerst vom Tisch. "Ich boxe weiter bei Don King. Ich hatte ihn um Auflösung unseres Vertrags gebeten, mein Anwalt bereits eine Klage vorbereitet. Doch wir haben noch einmal miteinander verhandelt und uns letztlich darauf geeinigt, weiterhin zusammenzuarbeiten", verriet der Deutsche im Interview mit dem Fachblatt "BOXSPORT" .
Er sei der letzter verbliebene Champion Kings, so Mikaelian: "Lässt er mich gehen, kann er seine Promotion im Prinzip zumachen." Der WBC-Champion berichtete von einem Treffen im Büro des Promoters, bei dem es geknallt habe.
"Es gab einen Riesenstreit, wir schrien uns an und ich sagte ihm, dass ich ihn verklagen werde. Dann bin ich aus dem Büro gestürmt. Seine Assistentin rannte mir hinterher bis zum Parkplatz und sagte, wir seien doch alle christlich, lasst uns das doch christlich regeln."
Don King tue so, "als sei er das Opfer", sagte Mikaelian. Es sei aber so: "Don ruiniert meine Karriere." Es wäre nicht die erste Karriere, die der Mann mit mehreren Kugeln im Körper auf dem Gewissen hätte. King gilt bis heute als "Totengräber" Mike Tysons.
Und nicht nur der Mann mit der Starkstromfrisur hat Mikaelian offenbar übel mitgespielt. WBC-Präsident Mauricio Sulaiman habe ihn "ohne Zustimmung" seines Gremiums zum "Champion in Recess" ("Weltmeister im Wartestand", ein Status, den es nur im Preisboxen gibt, Anm.d.Red.) herunter gestuft.
Das Aberwitzige: Beim WBC firmiert nun wieder Badou Jack als Weltmeister, der seit Februar 2023 (!) keinen Kampf bestritten hat. Jack soll den Titel gegen Rozicki verteidigen, obwohl der Kanadier in einem vom WBC angesetzten Duell um den "Interims"-Titel (gibt's auch nur im Boxen, d.Red.) mit Yamil Alberto Peralta Ende 2024 nur remis boxte.
"Das alles stinkt doch gewaltig", wetterte Mikaelian gegen die Funktionäre. Immerhin habe der WBC beschlossen, dass der Sieger aus Jack vs. Rozicki gegen ihn antreten müsse.
Mit seinem Management versuche er, einen Kampf im Mai in Los Angeles auf die Beine zu stellen, um endlich wieder im Ring zu stehen. Sollte sich Don King erneut "querstellen, dann hilft am Ende wohl doch nur eine Klage", betonte der Weltmeister.
Und das womöglich nicht nur gegen King. Mikaelian erinnerte an den Prozess der deutschen Box-Legende Graciano Rocchigiani gegen den WBC. "Er wurde vom WBC um den Titel und Kämpfe betrogen, hat den Verband verklagt und ihm wurden (2002, d.Red.) 31 Millionen Dollar zugesprochen. Das, was man mit mir gemacht hat, ist vielleicht noch schlimmer."