Der Streit zwischen der Freestyle Grand Slam Chess Tour und dem Schach-Weltverband FIDE hat am Dienstag eine neue Eskalationsstufe erreicht. Ursache ist ein Statement der FIDE, die Top-Spielern wie Magnus Carlsen, Hikaru Nakamura und Co. offen mit dem Rauswurf droht.
Die Schach-Welt steuert auf das nächste Drama zu. Diesmal geht es nicht um Jeans-Hosen , Betrugsvorwürfe oder WillBet Konto gesperrt – Was tun? Schritt-für-Schritt HilfeTie-Break-Regeln , sondern schlicht und ergreifend um den Begriff "World Championship" (Weltmeisterschaft). Diesen vereinnahmt der Weltverband für sich. Die FIDE sagt: Nur sie darf eine offizielle "World Championship" veranstalten. Punkt. Ausnahmen ausgeschlossen.
Mit diesem Standpunkt geht die FIDE auf direkten Konfrontationskurs zur Freestyle Grand Slam Chess Tour und dem Freestyle Chess Players Club (FCPC), die im vergangenen Jahr von Superstar Magnus Carlsen und dem deutschen Investor Jan Henric Buettner gegründet wurden. Sie wollen 2025 eine Turnierserie in der Variante Fischer-Random-Chess (auch Schach960) veranstalten. Der Sieger soll sich "Freestyle Chess World Champion" nennen. Dagegen wehrt sich die FIDE mit schweren Geschützen.
In einem Statement, das der Weltverband am Dienstag veröffentlichte, ist von einer unweigerlichen "Spaltung der Schach-Welt" die Rede, sollte sich der FCPC nicht an die FIDE-Ansage halten und seine eigene Weltmeisterschaft austragen. Sollte der FCPC nicht zurückrudern, behalte man sich eine Klage vor. "Die FIDE wird nicht zögern, alle rechtlichen Mittel gegen diejenigen einzusetzen, die ihre Rechte verletzen", heißt es.
Wie erfolgsversprechend ein Gang vor Gericht wäre, ist nicht klar. Aber: Dass die FIDE den Begriff "World Championship" ausschließlich für ihre Turniere beanspruchen darf, ist ihre eigene Auslegung. Der Verband verweist in diesem Zusammenhang auf sein "Handbuch", in dem es so geschrieben steht. Dies als Grundlage für eine Klage zu werten, löst in der Szene Kopfschütteln aus.
Noch größer ist der Ärger bei den Superstars über eine deutliche Warnung, die die FIDE in ihrem Statement ausgesprochen hat. Der Verband erklärt ausdrücklich, dass er die Spieler in den kommenden WM-Zyklen ausschließen wird, die an einer Freestyle-Weltmeisterschaft teilnehmen. Erwartet wird, dass die Profis hierzu einen "zusätzlichen Vertrag" unterschreiben, der ihnen die Teilnahme an einer "alternativen WM" untersagt. Anders ausgedrückt: Entweder unsere Regeln oder keine! Das ist nichts weniger als eine Drohung, US-Großmeister Hikaru Nakamura nannte es in seinem Stream gar "Erpressung" und erklärte, den Vertrag nicht unterschreiben zu wollen.
Und weil Nakamura dem Vernehmen nach nicht der einzige Top-Profi ist, der so denkt, droht der FIDE ein großes Problem, denn ihr größtes Kapital sind noch immer die besten Spieler der Welt. Sollten sie sich geschlossen oder auch nur in großen Teilen auf die Freestyle-Seite schlagen, steht der Weltverband hilflos und mit leeren Händen da. Wie will man Geldgeber für die eigenen Turniere finden, wenn die besten und bekanntesten Spieler der Welt gar nicht dabei sind? Mindestens schwierig.
Das größte Ass im Ärmel der Freestyle-Tour ist Mit-Gründer Magnus Carlsen. Der Norweger ist das Zugpferd Nummer eins. Ohne ihn sind Turniere nur die Hälfte wert. Das klingt despektierlich, entspricht aber den Tatsachen. Er lockt die Sponsoren an, er sorgt dafür, dass etwa der TV-Sender "NRK" seit Jahren Geld für die Übertragungsrechte in die FIDE-Tasche fließen lässt.
Sollte sich Carlsen zwischen der FIDE und Freestyle Chess entscheiden müssen, steht außer Frage, wer den Zuschlag bekommt. Der beste Spieler der Welt sieht Fischer-Random-Chess als die Zukunft des Schach-Spiels, weil es weniger Theorie gibt, die Partien abwechslungsreicher und spannender sind als im klassischen Schach, das von Computern in Teilen längst "gelöst" wurde. Fischer-Random-Chess sei "von Natur aus ein besseres Spiel", sagte Carlsen vor wenigen Wochen in einem "Financial Times"-Interview. "Viele Spieler" würden so denken und halten die Variante für "enorm aufregend", rührte er die Werbetrommel.
Auch die FIDE weiß um das Potenzial von Fischer-Random-Chess, bei dem die Positionen der Leicht- und Schwerfiguren in jeder Partie anders sind. 2019 und 2022 richtete der Weltverband in dieser Disziplin bereits eine WM aus. Seitdem gelang es aber nicht mehr, Geldgeber für weitere Ausgaben zu gewinnen. Der FCPC will diese Lücke füllen und bietet den Stars neben dem sportlichen auch einen finanziellen Anreiz.
In jedem der fünf Grand-Slam-Turniere gibt es neben Punkten für das Ranking einen Preispool von 600.000 US-Dollar. Allein der Sieger eines Events kassiert 200.000 US-Dollar. Zum Vergleich: Als FIDE-Weltmeister im Fischer-Random-Chess hatte Nakamura 2022 dagegen nur 150.000 US-Dollar bekommen.
Auch Deutschlands Top-Spieler Vincent Keymer ist ein Fan der Fisher-Random-Variante. Erst vor wenigen Tagen wurde er im "chessbase"-Interview auf die Freestyle-Spannungen mit der FIDE angesprochen. "Über die Diskussionen mit der FIDE kann ich gar nicht viel sagen. Das wäre natürlich ein großes Thema für mich gewesen, wenn ich mich zwischen dem FIDE-Turnieren und dem Freestyle-Wettkämpfen hätte entscheiden müssen. Aber das ist zum Glück momentan nicht der Fall", sagte er.
Spätestens seit dem FIDE-Statement scheint klar, dass auch ihm dieses "großes Thema" nun ins Haus steht. Wie auch vielen anderen Top-Spielern, die ihren Sport gerne um ein aufregendes und ertragreiches Kapitel erweitern würden. Ob und in welchem Ausmaß es dazu kommt, hängt ganz davon ab, ob sich die FIDE und Freestyle Chess doch noch auf ein Remis einigen können. Aktuell spricht aber viel dafür, dass es in der Angelegenheit einen klaren Sieger und einen klaren Verlierer geben wird.