Vor einem Jahr schreibt Noel Mikaelian Box-Geschichte, erobert als erster deutscher Preiskämpfer seit Max Schmeling einen WM-Gürtel in den USA. Der alternde Promoter-Pate Don King verspricht ihm danach große Kämpfe, doch es kommt alles anders. Jetzt zieht Mikaelian die Starkstromlocke wahrscheinlich vor einen Richter.
Am 4. November 2023 hatte Noel Mikaelian das Ziel seines Boxerlebens endlich erreicht: In seiner Wahlheimat Miami schlug er den gefürchteten Puncher Ilunga Makabu in der dritten Runden k.o. und eroberte den WBC-Titel im Cruisergewicht.
Ein Sieg mit historischem Flair: Als erster Deutscher seit Max Schmeling 1930 gewann Mikaelian jenseits des Großen Teichs einen Weltmeister-Titel.
"Das ist natürlich eine große Ehre. Max Schmeling ist der größte deutsche Boxer der Historie und vor allem eben der Einzige, der den Titel in den Staaten gewonnen hat. In einem Atemzug mit ihm genannt zu werden, ist eine Riesenehre. Da bin ich überaus stolz drauf", sagte der 34-Jährige damals im Interview mit sport.de .
Im hart umkämpften Limit bis 90,72 Kilogramm mit mehreren Konkurrenz-Champions der anderen Verbände schienen Mikaelian nach vielen Jahren im Schatten endlich viele Türen offen zu stehen. "Große Fights" und "großes Geld" habe ihm sein Promoter Don King versprochen, verriet der Cruisergewichtler im Interview mit dem Fachmagazin "BOXSPORT".
Bei dem berüchtigten Strippenzieher mit der Starkstromfrisur hat Mikaelian, der sich selbst managt, einen Vertrag unterschrieben. Doch aus den königlichen Versprechen ist nichts geworden. 2024 stand Mikaelian noch kein einziges Mal im Ring, seine vom WBC angeordnete Titelverteidigung gegen Pflichtherausforderer Ryan Rozicki platzte mehrmals.
Ende Mai hatte zunächst Mikaelian das Duell abgesagt, weil er im Sparring einen Cut erlitt. Der für den 28. September angesetzte Nachholtermin scheiterte schließlich an King. Weil der 93-Jährige im Krankenhaus lag, ließ die Firma des Amerikaners den Kampfabend in Miami gleich ganz ausfallen.
"Man muss doch nicht eine ganze Veranstaltung, an der so viele Leute beteiligt sind und mitarbeiten, wegen des Fehlen eines einzelnen Promoters absagen", sagte Mikaelian - und geht nun den Rechtsweg.
"Ich habe Don um meine Freigabe gebeten wegen Vertragsbruchs. Das ist jedoch wohl nie zu erreichen, weswegen es höchstwahrscheinlich vor Gericht geht", kündigte Mikaelian bei "Sport Bild" an.
Der Weltmeister sieht sich von King hinters Licht geführt. "Ich bin bereits zwei Jahre bei Don unter Vertrag und habe nur einen Kampf erhalten, obwohl mindestens zwei pro Jahr vereinbart waren", erläuterte Mikaelian. Eigentlich laufe der Vertrag noch ein Jahr, King habe allerdings gleich mehrere Vereinbarungen gebrochen.
So habe etwa das Lager seines Gegners Rozicki vor ihm von der Absage des September-Datums gewusst, er selbst "als Letzter" nur via Social Media davon erfahren, berichtete Mikaelian. Ebenso hätten King und seine Leute hinter seinem Rücken einen neuen Termin mit Rozickis Management für den 7. Dezember in Kanada vereinbart. "Das tat er, ohne es mit mir zu vereinbaren. Das kann man als betrügerisch ansehen", betonte Mikaelian.
Wie es für den Deutschen weitergeht, ist unklar: Rozicki boxt im Dezember gegen den Argentinier Yamil Peralta um eine "Interims"-WM, der Sieger müsste anschließend gegen Mikaelian um den vollwertigen Titel boxen - die Frage ist nur, unter wessen Banner.
Berichte aus Übersee, er drücke sich vor Rozicki und wolle dem Kampf aus dem Weg gehen, dementierte Mikaelian auf Nachfrage von sport.de . "Das waren Fake News der Kanadier."
Für Mikaelian ist allerdings klar: In Kanada will er nicht antreten. "Dort wurden schlechte Erfahrungen gemacht, als Rozicki 2022 schon einmal gegen Peralta boxte. Aus meiner Sicht hatte Peralta klar gewonnen", erläuterte er im "BOXSPORT"-Interview: "Zwei der drei Judges – alle übrigens aus der kanadischen Provinz Neuschottland, wie auch der Ringrichter – werteten den Kampf jedoch für ihren Landsmann Rozicki. Ich will solche Erfahrungen nicht machen, vor allem nicht, wenn ich die Sponsoren habe, die meinen Kampf organisieren könnten."
Mikaelian selbst hat böse Erinnerungen an dubiose Punkurteile. Seine größten Kämpfe gegen die Top-Leute Krzysztof Wlodarczyk (2017) und Mairis Briedis (2018) verlor er auf fremdem Terrain äußert umstritten nach Punkten.